Hallo ihr Lieben,
jetzt
ist es doch schon wieder eine ganze Weile her, dass ich mich das letzte
Mal bei euch gemeldet habe und naturgemäß hat sich auch schon wieder
das eine oder andere angehäuft, was es zu berichten gibt. An der
Tatsache, dass ihr schon länger nichts mehr von mir gehört habt, könnt
ihr dann gleichzeitig auch ablesen, dass ein paar sehr intensive Wochen
hinter mir liegen, was einerseits mit einer Vielzahl interessanter
Vorlesungen, die in einem Fall für mich auch mit einer Prüfung verbunden
war, zu tun hat, dann aber auch mit verschiedenen einzelnen
Veranstaltungen an Abenden und insbesondere mit zwei Ausflügen, die so
im offiziellen Studienjahrsprogramm nicht vorgesehen sind und die
zuletzt zwei Wochenenden ausgefüllt haben.
Es wird Herbst!
Mittlerweile
ist auch bei uns der Herbst hier in Jerusalem durchaus ein bisschen
angekommen. Das merkt man daran, dass die Temperaturen doch ein ganzes
Stück zurück gegangen sind und man zum ersten Mal seit längerer Zeit das
Gefühl erlebt, ein wenig zu frieren, zumindest wenn die Sonne sich
hinter den deutlich häufiger gewordenen Wolken versteckt und ein kalter
Wind aufkommt. Natürlich würde ich das immer noch als einen Herbst
bezeichen, den ich in Deutschland über weite Teile auch als nicht
unangenehmen Sommer durchgehen lassen würde und ich bin mir sicher, wenn
ich so das Wetter bei euch mitbekomme, dass die meisten hier sicherlich
im Gegensatz zu mir nicht frieren würden. Ein besonderes Erlebnis gab
es dann vor knapp 2 Wochen auch zu verzeichnen, nämlich den ersten Regen
seit meiner Landung hier (auch wenn er nicht besonders lange anhielt).
Interessanterweise hatte ich zuvor schon auf dem Balkon gestanden und
die dunklen Wolken angesehen und auch der Geruch von bald kommendem
Regen lag schon in der Luft. Dass er aber tatsächlich fallen würde,
hatte ich nicht unbedingt erwartet, denn zumeist war er in ähnlichen
Situationen in den letzten Wochen immer noch oben geblieben.
Mittlerweile passiert es tatsächlich schon alle paar Tage, dass mal ein
kurzer Schauer den Himmel verlässt. Zumeist hört es aber schnell wieder
auf (zumindest jetzt noch). Blöd ist das dann eigentlich nur, wenn man
gerade in den 10 Minuten, die es regnet, auf dem Rückweg von der Kirche
nach Hause ist (so geschehen gestern). Ansonsten finde ich es eigentlich
sogar manchmal ganz schön. Als es neulich einmal richtig dunkel wurde
und der Regen fiel, war das ein richtig schönes Bild von meinem
Balkonfenster aus, erst recht, als die schwarzen Wolken so tief hingen,
dass man noch ein wenig den blauen Himmel darüber sehen konnte. In
diesem Moment fällt mir so ein bisschen auf, dass auch der deutsche
Herbst ein paar schöne Seiten hat und auch wenn ich ihn bislang nicht so
sehr wertgeschätzt habe, merke ich hier doch manchmal auch ein wenig,
wie er mir fehlt.
Vorlesungsbetrieb
Nicht
nur der Herbst ist mittlerweile in Jerusalem erkennbar angekommen,
sondern auch ich ;-) Das merkt man einerseits leider doch auch daran,
wie schnell man sich an all die fantastischen Impressionen hier gewöhnt,
von denen man doch eigentlich jetzt schon weiß, wie sehr sie einem dann
später fehlen werden. Aber es zeigt eben doch, dass einen der Alltag
hier mittlerweile ziemlich erfasst hat. Das merkt man auch an der
Taktung der Vorlesungen. Wenn unter der Woche der gesamte Vormittag und
nicht unhäufig auch Teile des Nachmittages durch Vorlesungen oder
Sprachkurse gefüllt werden, vergehen die Tage doch immer sehr schnell
und wenn man gerade nicht im Vorlesungssaal sitzt, gibt es schon
eigentlich immer genug, was liegen geblieben ist und getan werden muss,
sodass man sich wirklich bewusst seine Auszeiten nehmen muss, um auch
mal aufzutanken. Dafür sind die Veranstaltungen aber dann überwiegend
doch sehr interessant und man merkt, wie sehr es auch für die
Professoren und Professorinnen etwas besonderes ist, hier her kommen zu
können. Sehr entgegen kommt mir dabei auch der Charakter der Vorlesungen
als Blockseminar, was ja anders gar nicht möglich wäre, wenn man die
Leute extra einfliegen lässt. Auf diese Weise kann man deutlich tiefer
in ein Thema eintauchen, als das in einem regulären Vorlesungsbetrieb
mit einmal in der Woche einer Doppelstunde sonst möglich wäre.
Bereits
in meinem letzten Beitrag habe ich ja schon die Veranstaltungen bei
Professor Küchler und Frau Professor Dr. Hoegen- Rohls angedeutet. Mit
Herrn Küchler durften wir noch einige Exkursionen innerhalb Jerusalems
auf uns nehmen, unter anderem in die Grabeskirche, auf den Zion oder auf
den Ölberg. Dabei haben mich vor allem zwei Dinge beeindruckt. Zum
einen, wie unglaublich viele Ausgrabungsorte es hier gibt, sodass man
teilweise wirklich das Gefühl hat, die Archäologen können gar nicht
alles in gleichem Maße aufbereiten bzw. dem allen gerecht werden. Da
kommt es dann halt schon mal vor, dass der Weg zu einem Essenertor einen
unscheinbaren Hügel hinab über ein paar Müllhaufen führt. Zum anderen,
wie unglaublich viel Herr Küchler darüber weiß. Ich fürchte, es ist
nicht allzu sehr übertrieben zu sagen, dass er uns wohl über fast jeden
Stein eine halbe Stunde etwas hätte erzählen können, ohne dabei auf
irgend ein Blatt sehen zu müssen. Für jede Ausgrabungsstätte in der
Stadt, jede Mauer und jeden Hügel hatte er für uns einen äußerst
detaillierten Ansichtsplan mitgebracht, die alle seinem großen Werk
"Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt"
entnommen sind. Dieses "Handbuch" umfasst in der ersten Auflage ca. 1300
Seiten und verzeichnet wahrscheinlich wirklich jeden Stein, der in
dieser Stadt ausgegraben wurde. (Im Prinzip hat sich Herr Küchler sein
ganzes Leben lang mit der Stadt beschäftigt. Von Herrn Vieweger, der
ebenfalls einmal während einer Exkursion zu uns stieß, wurde er einmal
als "Mister Jerusalem" vorgestellt. Die zweite Auflage hat übrigens nur
noch 800 Seiten, ist aber trotzdem genauso dick, weil der Verlag
dickeres Papier wählte, wie uns Küchler mit einem Augenzwinkern
erzählte). Auch wenn Herr Küchler in Zukunft die Verantwortung für
weitere Auflagen an seinen ihn ebenfalls begleitenden Assistenten Markus
Lau abgegeben hat, kann er es beim Anblick einer jeden neu
ausgegrabenen Zisterne und jedem für ihn neuen Stein einfach nicht
lassen, selbigen sofort darauf hinzuweisen, dass man dies gleich
einzeichnen müsse. Es ist wirklich schön zu sehen, wie in einem
Siebzigjährigen immer noch dieses Feuer brennt, das ihn dazu antreibt,
über mehrere Tage hinweg mit einer Gruppe Studenten die Berge Jerusalems
auf und ab zu wandern, ihnen die vielen Kirchen, Mauern und Tore zu
zeigen und dabei immer noch den fittesten Eindruck von allen zu machen.
Tatsächlich war es nun aber das letzte Mal, dass Herr Küchler das
Studienjahr besucht hat. Auch diese Aufgabe wird er zukünftig an Markus
weitergeben, der immer wieder auch schon Teile übernahm und dabei
zeigte, dass er das sicherlich in den nächsten Jahren nicht minder gut
machen wird. Allerdings war es Herrn Küchler bei seiner Verabschiedung
schon anzumerken, dass auch eine gewisse Wehmut darin für ihn lag, nun
die Stadt, die ja praktisch Gegenstand seines Lebenswerks ist, zu
verlassen. Ich bin mir allerdings fast sicher, dass ihn die Stadt nach
wie vor nicht loslassen wird und er bestimmt nicht zum letzten Mal in
Jerusalem war ;-)
Neben vielen
Kirchen, Mauern, Steinen und Toren kommen wir aber auch immer wieder an
Orte mit fantastischem Ausblick oder auch an Orte, an denen biblische/
christliche Traditionen lokalisiert werden. Was mich dabei einmal mehr
doch auch stört, ist, wie man für scheinbar jede biblische Zeile
versucht hat, einen Ort zu finden, wo diese jetzt stattgefunden haben
könnte, natürlich immer, um dann da auch eine entsprechende Kirche
hinstellen zu können. Am Anfang fand ich es noch etwas besonderes, quasi
neben dem vermeintlichen Abendmahlssaal etc. zu wohnen, aber wenn man
sich länger in der Altstadt bewegt hat, ist es ja fast unmöglich, nicht
dauernd über derartige Orte zu stolpern, sodass es sehr schnell an Reiz
verliert. Hinzu kommen dann so Dinge wie vermeintliche Fußabdrücke, wo
sich Jesus bei der Himmelfahrt abgestoßen haben soll, oder Gräber
alttestamentlicher Propheten, bei denen uns Markus dann erklärt, dass
diese Tradition erst 1400 Jahre nach dem Auftreten dieser Propheten
aufkam. Umso bemerkenswerter ist es dann, wenn man, wie im Falle von
Golgatha, auch einmal relativ gut plausibel machen kann, dass dies
tatsächlich der richtige Ort in der Grabeskirche ist (wenngleich es
aufgrund der kirchlichen Strukturen, die es umgeben, praktisch alles von
seinem Steinbruchcharakter verloren hat). Herr Küchler verwies daher
auch immer wieder auf seinen großen Wunsch, den er bereits Eingangs
seines Buches formuliert, dass die drei Religionen doch ihre jeweiligen
Heiligtümer in Jerusalem transparenter gestalten sollten und nicht so
sehr darauf aus sein sollten, nur die Pilgergruppen anzulocken.
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Einer dieser Orte ist der Garten Gethsemane. |
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Von "dominus flevit" aus hat man einen fantastischen Blick auf die Heiligtümer. |
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Von hier aus soll Jesus die Stadt bei ihrem Anblick beweint haben- nicht aus Rührung, sondern ob ihrer zukünftigen Zerstörung. |
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Um
hineinzukommen gelten strenge Vorschriften. Die Wächter haben
allerdings Humor. Einen Komilitonen mit zu kurzer Hose winken sie
schließlich durch, nachdem sie seine Körpergröße andeutungsweise
nachgemessen haben ;-) |
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Ein besonderer Augenzwinkerer: Bei korrekter Lokalisation der biblischen Himmelfahrtsstelle landet man genau auf dieser Verkehrsinsel. Die entsprechende Mosche (!) dazu steht allerdings wenige Meter weiter bergauf. |
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Die
Veranstaltung mit Frau Professor Hoegen- Rohls wird mir vor allem
deshalb positiv in Erinnerung bleiben, weil Frau Hoegen- Rohls hier als
Person einen äußerst sympathischen Eindruck hinterließ. Im Gegensatz zu
alldenjenigen aus der Professorenlandschaft, die wir zuvor hier erleben
konnten, war es für sie das erste Mal, dass sie zum Theologischen
Studienjahr nach Jerusalem eingeladen worden war. Dementsprechend war
auch ihr noch einmal im besonderen Maße anzumerken, wie sehr sie es als
etwas Besonderes empfand, hier sein zu können. In ihrer Vorlesung
befassten wir uns mit dem Johannesevangelium und darin enthaltenen
Partikularismen und ihren Ausweitungen. Da eine solche Perspektive auf
das JohEv bislang so noch nicht bezogen wurde, entwickelte sich die
Vorlesung immer mehr dahin, dass wir uns dem Thema gemeinsam und
durchaus ergebnisoffen annäherten. Dabei empfand ich es als sehr
beeindruckend und wertschätzend von Frau Professor Hoegen- Rohls, wie sehr
sie all unsere Anregungen nicht nur ernst-, sondern auch dankbar
aufnahm. Selbst für die Prüfung gestattete sie es, eine eigene Stelle
aus dem Johannesevangelium auszuwählen und unter diesem Blickwinkel
aufzubereiten, um diese dann in der Prüfung vorzustellen. Immer wieder
ließ sie auch durchblicken, das ganze gemeinsam Erarbeitete
möglicherweise veröffentlichen zu wollen, natürlich dann unter
namentlichem Einbezug unserer Beiträge. Auch außerhalb des
Vorlesungssaales legte sie diese Haltung an den Tag, indem sie sehr
offen auf alle von uns zuging und sich sogar regelmäßig bei den
Spülteams beteiligte. Da Frau Hoegen- Rohls in Münster lehrt, war es für
mich sicherlich nicht das letzte Mal, dass ich ihr begegnet bin.
In
den vergangenen beiden Wochen hatten wir dann Vorlesungen im Bereich
Altes Testament und Ökumene. Im Bereich Ökumene hatten wir dazu mit
Professor Dr. Theodor Dieter vom Institut für Ökumenische Forschung
Straßburg einen sehr spannenden evangelischen Vertreter, der uns unter
anderem aus den Erfahrungen seiner ökumenischen Arbeit von seinen
diversen Audienzen bei den jeweiligen Päpsten der letzten Jahre erzählen
konnte! Da sein katholisches Pendant Professor Dr. Bernd Jochen
Hilberath leider absagen musste, wurde er von unserem Studiendekan
kurzerhand vertreten. Inhalt der Vorlesung waren unter anderem ein
Studiendokument der Lutherischen/Römisch-katholischen Kommission für
die Einheit mit dem Titel "Die Apostolizität der Kirche", die
Konzilstexte Lumen Gentium und Unitatis Redintegratio und nicht zuletzt
die Leuenberger Konkordie. Neben viel Textarbeit gab es dabei aber auch
reichlich Raum für Diskussionen. Insgesamt muss ich aber nach diesen
zwei Wochen feststellen, dass sich mein erster Eindruck aus dem
Studienjahr (leider) durchaus bestätigt und es im ökumenischen Bereich
doch noch etliches mehr zu tun gibt, als mir das bislang vorkam.
Für
das Alte Testament hielt uns Professor Dr. Leuenberger aus Tübingen
eine Vorlesung über den "frühen JHWH" (für die Nichttheologen unter
euch: JHWH ist die Umschrift der unvokalisierten Form des Gottesnamens
im Alten Testament, d.h. es ging im Prinzip in der Vorlesung darum,
woher der Gott religionsgeschichtlich stammt, an den letztlich die drei
abrahamitischen Religionen glauben). Das war von vornherein eines der
Themen, die ich schon beim erstmaligen Durchblättern des
Vorlesungsverzeichnisses am spannendsten fand und mich entsprechend
darauf freute. Und ich wurde auch definitiv nicht enttäuscht. Herrn
Leuenbergers Art der Aufbereitung seiner Inhalte kam mir sehr entgegen,
sodass ich gut folgen konnte und am Ende dann auch die Prüfung bei ihm
zu meiner Zufriedenheit abschließen konnte. Sicherlich bislang mit die
Vorlesung, aus der ich inhaltlich am meisten mitnehmen werde können.
Vorträge und Exkursionen
Wie
bereits angedeutet, beschränkte sich auch in den letzten Wochen unser
Programm nicht ausschließlich auf das reguläre Vorlesungsprogramm. Im
Folgenden will ich euch also noch drei besondere Highlights der letzten 4
Wochen etwas näher schildern:
Da
wäre zunächst unser gemeinsamer Synagogenbesuch zum Vorabend des
Sabbat. Mit gemeinsam meine ich einerseits uns, also die Teilnehmer des
Studienjahres, andererseits aber auch die Teilnehmer des anderen
Studienprogrammes "Studium in Israel". Nachdem diese uns zunächst im
Beit Joseph besucht hatten und für uns eine kurze Einweisung in die
synagogale Liturgie vorbereitet hatten, konnten wir in kleineren Gruppen
aufgeteilt auswählen, in welche der vielen verschiedenen Synagogen in
Jerusalem wir gehen wollen. Eine Entscheidung, die natürlich auch damit
zusammenhängt, ob man lieber einen orthodoxen Gottesdienst, oder einen
Gottesdienst einer eher liberaleren Reformgemeinde erleben möchte. Wir
entschieden uns für einen Besuch in der orthodoxen "Großen Synagoge". An
dieser war ich an meinem ersten Tag im Sherut bereits vorbeigefahren
und war nun auch neugierig, sie einmal von innen zu sehen. In der Tat
trägt sie ihren Namen nicht umsonst. Da wir relativ früh dort waren,
konnte ich beobachten, wie sie sich langsam füllte. Auch wenn sie nicht
ganz voll wurde am Ende, fand ich es trotzdem beachtlich, wie viele
Menschen den Weg dorthin gefunden hatten. Als wir nach dem Gottesdienst
auf dem Platz vor der Synagoge standen, wurde mir das noch einmal
bewusst, als ich die vielen Menschen aus selbiger herausströmen sah. Der
Gottesdienst selbst war für mich auch sehr eindrücklich. Man sollte
allerdings am besten gar nicht erst versuchen, im Gebetsbuch mitzulesen,
denn das Sprechtempo überfordert nach Aussage unseres Studiendekans
selbst erfahrene Alttestamentler und immer wieder werden auch Teile im
Stillen gebetet, sodass man dann gar nicht mehr weiß, wo man nun wieder
einsteigen soll. Hinzu kam, dass an besagtem Freitag auch noch eine
abweichende Liturgie praktiziert wurde. Stattdessen lohnt es sich, die
ganze Atmosphäre dort aufzusaugen, denn gerade in einer so großen
Synagoge unterscheidet es sich dann doch noch einmal klar von einem
christlichen Gottesdienst. Das beginnt schon damit, dass die Grenzen von
Beginn und Ende nicht so scharf einzuhalten sind. Will heißen: man
kommt im Prinzip, wann man will und man geht im Prinzip, wann man will.
Und wenn dann jemand während des Gottesdienstes noch dazu kommt oder
früher geht, ist es auch kein Problem, diesen quer durch den Raum zu
begrüßen oder zu verabschieden. Es gibt im Prinzip einen Vorbeter, der
alles spricht und singt und wann immer man es gerade gerne tun möchte,
kann man auch ein paar Phrasen mitsingen, besonders laut mitsprechen
oder einen bekräftigenden Ausruf dazu abgeben (wobei ich dazu sagen
muss, dass das auch manchmal nur so wirken mag, weil man nicht genau
damit vertraut ist, wann was zu sagen, singen etc. ist und es
möglicherweise einem jüdischen Besucher in einem christlichen
Gottesdienst ähnlich gehen würde. Mein Eindruck rührt eher daher, dass
nie alle gemeinsam etwas machten, sondern eben immer nur ein
unterschiedlich großer Anteil der Gemeinde). An diesem Freitag war dann
auch noch ein kleiner Chor versammelt, der vieles gesanglich noch einmal
besonders untermalen konnte. Gerade hier mochte ich die Stellen
besonders, bei denen dann weite Teile der Gemeinde mit einstimmten.
Insgesamt mag es einem Besucher, der eher einen christlichen
Sonntagvormittaggottesdienst gewohnt ist, zwar ob des regen "Treibens"
dort nur mäßig andächtig vorkommen, allerdings gab es dazwischen immer
wieder Elemente, die für mich durchaus eine sehr besondere Atmosphäre
transportierten. Im Anschluss an den Besuch gab es dann noch ein
gemeinsames Beisammensitzen im Beit Jospeh und damit auch die
Möglichkeit, mit den Studierenden von "Studium in Israel" noch ein paar
Gespräche zu führen.
Ein
weiterer sehr eindrücklicher Abend war unsere Begegnung mit Avital Ben-
Chorin, der Witwe des verstorbenen Schalom Ben- Chorin. Als solche
zumindest bereitete ich mich mental auf sie vor. Nachdem sie jedoch ihre
ersten Sätze gesprochen hatte, war sie für mich schon bald nicht mehr
"die Frau von...", sondern mein Interesse galt nun ganz schnell der
Person Avital Ben- Chorin an sich. Sie hatte eine beeindruckende
Lebensgeschichte zu erzählen, die unter anderem von ihren Erfahrungen
mit den Anfängen des Holocaust in Deutschland handelte, als sie es den
Schmähungen ihres antijüdischen Schullehrers im Prinzip zu verdanken
hatte, dass sie überhaupt noch am Leben ist. Durch diese angestachelt
entschloss sie sich nämlich schon im frühen Jugendalter den Schritt in
das heutige Israel zu wagen, wo sie Lehrerin werden wollte. Im
Nachhinein ein wohl goldrichtiger Schritt, denn den Tod ihrer Eltern
konnte sie nach 1945 schließlich nur aus dem Ausbleiben einer Nachricht
folgern. So erlebte sie hier unter anderem die Gründung des Staates
Israel und die daraus resultierenden Konflikte mit, wie beispielsweise
die Belagerung Jerusalems, inmitten der sie ihr Kind aufzog. 1958
gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann die erste Reformgemeinde in
Israel, wo man heute noch in die Synagoge gehen kann. Trotz all der
Gewalt, die sie in ihrem Leben schon miterlebt hat, zeigte sie eine
bemerkenswerte Einstellung zur aktuellen Situation. Wann immer es um
Palästinenser/ Araber/... geht, sprach sie ausschließlich von "unseren
lieben Nachbarn". Nach dem Sechstagekrieg berichtete sie von ihren
gemeinsamen Erfahrungen und Gesprächen zwischen Juden und eben diesen
"lieben Nachbarn", die ihr bis heute die Hoffnung geben, dass der
Frieden zwischen beiden keine bloße Utopie ist. Und als sie gleich zu
Beginn davon sprach, wie sie als Kind mit christlichen und jüdischen
Freunden gespielt hat, ohne dass ihr ein Unterschied bewusst gewesen
sei, musste ich auch ein bisschen an eigene Kindheitserfahrungen denken
und kann sehr gut verstehen, wie diese Eindrücke für sie immer noch so
prägend sein müssen, dass sie damit jedem Vorurteil mit voller
Überzeugung entgegentreten kann. Ich muss wirklich sagen, dass Menschen
wie Avital Ben- Chorin bei mir eine besondere Art der Bewunderung
auslösen. Mit ihren etwa 90 Jahren sitzt sie gut gekleidet und schick
hergerichtet vor uns und findet auch 15 Jahre nach dem Tod ihres Mannes
noch immer die Motivation dazu, Gesprächsabende wie den unseren zu
gestalten. (Auch wenn dir das jetzt vielleicht ein bisschen unangenehm
sein mag, wenn du das so mitliest, aber sie erinnert mich wirklich
stark an dich, Oma ;-)
Die
letzte tolle Begegnung, die ich an dieser Stelle noch schildern möchte,
war unser Besuch einer hebräischsprachigen (!) Messe. Was man
normalerweise eher mit messianischen Juden in Verbindung bringen würde,
war aber tatsächlich eine ganz "normale" katholische Messe mit Kommunion
etc. Dabei handelt es sich um eine Gemeinde, die sich insbesondere auf
die Nachkommen (katholischer) Immigranten konzentriert, die also bereits
hier geboren und mit der entsprechenden Sprache aufgewachsen sind, aber
sich eben auch nicht dem Judentum zugehörig fühlen. Aber auch für eher
säkular orientierte Einheimische ist man durchaus eine Anlaufstelle.
Dass es keine leichte Aufgabe ist, eine solche Gemeinde in Israel mit
verschiedenen Anlaufstellen (u.a. eben Jerusalem aber auch Tel- Aviv)
aufrecht zu erhalten, wird uns sehr schnell vor Augen geführt.
Insbesondere jüngere Leute können mit Eintritt der Wehrpflicht der
Gemeinde nur schwer erhalten bleiben, denn oftmals sind sie dann nicht
mehr zugegen, lernen in der Armee ihren Lebenspartner kennen oder ihr
Schwerpunkt verlagert sich auf andere Weise weg von der Gemeinde.
Etliche Leute kommen auch nur unregelmäßig, weil es ihnen in ihrem
privaten Umfeld unangenehm ist, wenn andere davon wissen. Außerdem
erzählt man uns dort von den anfänglichen Problemen bei der Gründung
einer solchen Gemeinde, denn natürlich gab es keinerlei christliche
Schriften auf Hebräisch und um solche erstellen zu können, bzw. eine
Liturgie praktizieren oder überhaupt über Gottesdienst reden zu können,
müssen erst einmal diverse Begrifflichkeiten gefunden werden (wie
beispielsweise "Trinität"...). Wir hören auch von den verschiedenen
Hilfsprojekten, die über die Gemeinde laufen, indem man beispielsweise
Kinderbetreuung für Frauen übernimmt, deren Mann sie längst verlassen
hat und die ohne Arbeit ihre Existenz in keinster Weise sichern könnten.
Es ist in der Tat sehr berührend, welche Geschichten wir dabei zu hören
bekommen. Schon zuvor habe ich auch die Messe selbst als sehr spannend
empfunden. Zunächst muss ich dabei sagen, dass es mir nicht nur wegen
der Sprache teilweise wie in einer Synagoge vorkam. Insbesondere die
Tatsache, dass ich in dem hebräischen Gebetsbuch erneut überhaupt keine
Ahnung hatte, wo wir gerade sind, kommt mir doch noch sehr bekannt vor
;-) Aber gerade das empfinde ich eigentlich als sehr bereichernd, denn
dadurch verschwimmen ein Stück weit die doch so eindeutig scheinenden
Grenzen zwische Judentum und Christentum und man kann sich vorstellen,
wie einst das Christentum aus dem Judentum hervorging bzw. hat das
Gefühl, ein wenig deren gemeinsame Wurzeln wahrnehmen zu können.
Wochenendausflug nach Tabgha
In
dem Moment, wo ich euch das hier schreibe, ist es zwar schon drei
Wochen her, aber dennoch ist mir unser Ausflug nach Tabgha noch immer
sehr präsent. Zur kurzen Erläuterung: In Tabgha ist -um es vereinfacht
zu sagen- eine Art Außenstelle der Dormitioabtei, also auch ein
Benediktinerkloster, mit dem ein regelmäßiger Austausch der Mönche hier
stattfindet. So fährt beispielsweise der Abt hier einmal im Monat unter
anderem für eine Messe am Sonntag dorthin. Es liegt am Nordteil des Sees
Genezareth unweit von Kapernaum. Dort gibt es auch ein Begegnungshaus,
das so genannte Beit Noah, und dort besteht prinzipiell für jeden, aber
natürlich noch einmal insbesondere für Studienjährler, die Möglichkeit
dort sehr günstig unterzukommen. Für unsere anstehende Galiläa Exkursion
werden wir beispielsweise ebenfalls für insgesamt 11 Tage dort
untergebracht sein. Für unseren Wochenendausflug konnten wir in dort auf
dem Gelände aufgebauten großen Zelten mit Platz für acht Betten
übernachten- praktisch unmittelbar am See. So kam uns bereits vor der
Jordanien Exkursion die Idee, in einer kleineren Gruppe doch einmal ein
Wochende, so sich eine Möglichkeit auftun sollte, dorthin zu fahren und
bewusst abzuschalten und aus allem rauszukommen, denn wie angedeutet:
Ansehen werden wir uns die Orte dort dann auf der Galiläa Exkursion mit
Sicherheit noch zu Genüge. Als wir dann erfuhren, dass wir am Tag der
Deutschen Einheit frei haben würden und sich obendrein die Konstellation
so herausstellte, dass niemand von uns an diesem Wochenende Prüfung
haben würde, bemühten wir uns dann also relativ schnell darum, diese
Idee umzusetzen. So fuhren wir am Freitag zu äußerst früher Stunde
bereits mit einer öffentlichen Nah- und Fernbuslinie zunächst nach
Tiberias, der nächstgrößeren Stadt dort am See, von wo aus wir umsteigen
mussten. Dort angekommen, wollten wir uns erst einmal einen Anblick vom
See verschaffen. Sehr schnell sollte sich herausstellen, dass wir
entgegen aller Ankündigungen sehr wohl auch hier etwas vom besonderen
Charakter des Jom Kippur, der ja eigentlich erst Samstag ist, aber wie
auch der Sabbat eben schon mit dem Freitagnachmittag einsetzt, zu spüren
bekommen würden. Denn während unsere Kollegen in Jerusalem am
darauffolgenden Tag Picknick auf den sonst so viel befahrenen
Hauptstraßen der Stadt machen konnten, zeigte sich auch hier bereits am
Freitag, wie ausgestorben auch die Straßen von Tiberias wirken konnten.
Das fiel uns im Besonderen dann allerdings erst auf, als wir am Sonntag
auf der Rückfahrt noch einmal einen Stopp an der selben Stelle machten
und so den direkten Vergleich bekamen: Auf einmal war alles voller
Touris und entsprechend gab es an jeder Ecke mehrere Touristände. Am
Freitag dagegen waren wir weit und breit die Einzigen, die am See
entlangliefen und an mehreren Stellen den fantastischen Blick auf
selbigen genossen. Nach einigen Einkäufen für das nun anstehende
Wochenende machten wir uns dann endgültig auf den Weg nach Tabgha, wohin
es ebenfalls per Bus dann tatsächlich nicht mehr besonders weit ist von
Tiberias. Unterwegs kommt man dann übrigens unter anderem an so Orten
wie Magdala vorbei. Dort angekommen konnten wir relativ schnell unser
Zelt beziehen und nachdem wir uns eine kurze Ruhepause gegönnt hatten,
erkundeten wir ein bisschen die Gegend dort, bzw. einige von uns waren
bereits bei vorherigen Israel Reisen schon einmal hier gewesen und
kannten sich entsprechend schon ein wenig aus. Ein Stück nebenan fanden
wir nach einigem Suchen dann das sogenannte Pilgerhospitz des Deutschen
Vereines vom Heiligen Lande, in dem man ebenfalls unterkommen kann,
allerdings für einen durchaus etwas höheren Betrag ;-) Dort gibt es auch
ein wunderbares Cafe auf einer großen Terasse mit Blick auf den See und
wirklich ausgezeichnetem Kaffee (wenngleich er preislich gut zu den
Übernachtungstarifen passt ;-). Nach einem kurzen Zwischenstopp dort
gingen wir dann noch ein bisschen ans Ufer und dann auch einmal in den
See zum Schwimmen. Am Samstag taten wir das gleiche dann übrigens
nochmal, nachdem wir uns Abends dort das Buffet einmal ganz genau
"angesehen" hatten. Für mich war das wirklich ein besonderer Moment, mit
Blick auf Tabgha, aber auch Tiberias mitten im See Genezareth bei gefühlten 30° (am Tag der Deutschen Einheit!) zu schwimmen. Wenn man etwas weiter in den See hineinschwimmt, merkt man schnell, wie die Intensität der Wellen durchaus zunimmt
und man muss unweigerlich an biblische Geschichten denken, die auf
diesem See spielen, wenn es stürmt und dabei fast ein bisschen
schmunzeln beim Gedanken daran, wie Jesus da wohl über diese Wellen
läuft.
Tatsächlich aber muss ich
sagen, war es für mich bislang einer der wenigen Orte in Israel, an
denen man wirklich mal so ein wenig dieses Gefühl bekommt, das man
eigentlich an Orten wie Golgatha oder Betlehem erwarten würde. Denn im
Gegensatz zu all diesen Orten, kann man eben über einen so großen See
keine Kirche bauen und bekommt damit einfach einen durchaus noch
authentischen Einblick in die damalige Heimat und Lebenswelt Jesu. Wenn
man so am Ufer des Sees sitzt, meint man manchmal wirklich fast, er säße
irgendwie ein paar Felsen weiter gerade nebenan und diskutiere angeregt
mit seinen Jüngern über Fragen zum Gesetz oder was auch immer. Wenn man
nachts die Lichter auf dem See sieht und dann an Stellen denkt, wo es
heißt, dass die Jünger die ganze Nacht nichts gefangen hätten oder wenn
man die Größe des Sees sieht und seine Wellen beim Schwimmen spürt und
dann verstehen kann, wie ihn die Bibel als "das Meer" bezeichnen kann
(einmal erwischte ich mich sogar selber dabei, dass ich vom Meer sprach,
als ich den See meinte :D ), dann kann man durchaus verstehen, wie man
Galiläa auch als "das fünfte Evangelium" bezeichnen kann.
In
den zwei folgenden Tagen genießen wir in vollen Zügen die Sonne, gehen
schwimmen oder einmal auch joggen (bei Sonnenaufgang über dem See an
Kafernaum vorbeizujoggen ist auch ein besonderes Gefühl), kochen uns
Essen in der dortigen Gemeinschaftsküche, setzen uns im Sonnenuntergang
an das Ufer zum Lesen oder einfach um dort die Landschaft zu genießen
bwz. als es dunkel wird, um dort noch etwas zu trinken. Ein besonderes
Highlight war dann noch die Messe am Sonntagvormittag auf dem
Gottesdienstplatz von Dalmanutha, der direkt unter freiem Himmel und am
Ufer des Sees liegt - ein wirklich außergewöhnliches Ambiente! An dieser
Stelle möchte ich auch gleich darauf verweisen, dass von dort an diesem
Sonntag (also der 26.10.) im BR der Fernsehgottesdienst live übertragen
wird und ihr euch somit alle gleich selbst ein Bild davon machen könnt,
wo ich da dann saß! Als es an diesem Nachmittag dann schon wieder
zurück nach Jerusalem geht, haben wir alle das Gefühl, dass es viel zu
schnell vorbei ging.
Ich kann
letztlich nur sagen, dass ich wahrscheinlich selten bis nie in meinem
Leben an einem schöneren Ort als dort gewesen bin. Ich habe wirklich
jede einzelne Sekunde dort zutiefst genossen und bin mir absolut sicher,
dass ich dort noch sehr sehr oft hinkommen werde. Am ehesten würde ich
es so ausdrücken wollen: einen schöneren Ort, um seinen Sohn auf die
Erde zu schicken, hätte Gott kaum auswählen können ;-)
(Im Folgenden nur noch ein paar Impressionen vom See, um meine Eindrücke zu unterstützen:)
Wochenendausflug II nach Petra
Kaum
zu glauben, aber schon das Wochenende nach Tabgha sah für mich erneut
einen Ausflug außerhalb von Jerusalem und diesmal sogar außerhalb von
Israel vor. Als uns Ahmad am Ende der Jordanien Exkursion mit dem Satz
"Ich weiß, dass einige von euch wieder hier nach Jordanien zurückkommen
werden, denn es gibt hier noch viel zu sehen" verabschiedete, habe ich
ehrlich gesagt ein bisschen wehmütig schmunzeln müssen. In diesen
Augenblick konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, dass ich
möglicherweise überhaupt noch einmal nach Jordanien kommen würde, denn
zu den klassischen und unkomplizierten Reisezielen zählt es ja nicht
unbedingt. Nun war es allerdings so, dass wir im Vergleich zur
letztjährigen Jordanien Exkursion auf eine sehr große und bedeutsame
Station in Jordanien verzichtet hatten, eben Petra. Zurecht -wie ich
nach meinem Besuch sagen kann- mit der Begrünung, dass ein so tourisisch
geprägter Ort die Wüstenerfahrung etwas konterkarieren würde.
Allerdings empfahl man uns schon beim erstmaligen Hinweis auf diese
Entscheidung, dass es sich wirklich sehr lohnen würde, einmal auf eigene
Faust dorthin zu reisen. Mir persönlich erschien das relativ utopisch,
denn eine eigenständige Reise von Israel nach Jordanien ist dann doch
deutlich aufwändiger, als wenn ein großes Team mit ganz anderen
finanziellen Möglichkeiten, bereits eine Wüstenexkursion dort für dich
geplant, organisiert und bezahlt hat. Für einige von uns schien dies
aber keineswegs eine Abschreckung darzustellen und so kam bereits gut
eineinhalb Wochen nach der Jordanien Exkursion der Vorschlag auf, sich
in einer Gruppe Leihwagen zu organisieren und für ein Wochenene dann in
Petra in einem Hostel zu übernachten. Ehrlich gesagt musste ich dann gar
nicht so lange überlegen, ob ich da mitkommen möchte, denn eine
bessere Gelegenheit, mir doch noch Petra ansehen zu können, würde sich
wohl so schnell nicht mehr ergeben für mich. So kam es eben, dass ich
auf den Tag genau einen Monat nach Beginn unserer Jordanienexkursion
tatsächlich wieder an der Yitzhak Rabin Border mit meinem Pass in der
Hand stand und das ganze Prozedere erneut über mich ergehen ließ.
Als
kurzes Update für alldiejenigen, denen es jetzt grade genauso geht,
wie mir noch kurz vor unserer Abfahrt: Petra ist eine große Anlage mit
vielen Überresten einer nabatäischen Felsstadt, die ihre Blütezeit im
ersten Jhd vor Christus erlebte. Davon zeugen heute noch viele extrem
gut erhaltene Grabanlagen, aber auch Tempel und Säulen von Straßen und
Torbögen. Manch einem düfte das Ambiente auch aus "Indiana Jones" ein
Begriff sein. Ansonsten besteht natürlich an dieser Stelle auch noch die
Gelegenheit, sich mithilfe dieses sogenannten Internets weitere
Informationen darüber anzueignen ;-)
Unsere
Fahrt zur Grenze gestaltete sich bereits etwas speziell. Die Leihwagen
am Freitagfrüh zu beschaffen war gleichzeitig damit verbunden, dass
ungefähr alles schief ging, was beim Ausleihen eines Autos nur
schiefgehen kann, was dann einerseits zunächst dazu führte, dass die
dafür extra noch deutlich vor Vorlesungsbeginn losgezogene Gruppe doch
die erste Hälfte der vormittäglichen Vorlesungseinheit versäumte und
andererseits, dass unsere Autos mit den denkbar schlechtesten Kupplungen
ausgestattet waren, die man sich nur vorstellen kann. Nun muss ich
gestehen, dass ich in Jerusalem grundsätzlich auch mit einem sehr guten
Auto nur ungerne mehr Kilometer als wirklich absolut notwendig machen
wollen würde, mit einem Auto, das jedoch kaum vom Fleck kommt,
andauernd abschmiert und gefühlt eine halbe Stunde benötigt um Tempo
aufzunehmen, gestaltete sich das Ganze dann jedoch als dramatisch
unangenehm, zumal der nahöstliche Verkehrsteilnehmer als solcher gerne
dazu zu neigen scheint, die Tempolimits eher als unterstes, denn als
oberstes Limit zu interpretieren und mit regelmäßigem Hupen vor allem
ein "Ich bin auch aktiver Verkehrsteilnehmer" kommunizieren zu wollen.
Glücklicherweise blieb mir das Schicksal des aktiven Fahrens aber
erspart, stattdessen bestand meine Aufgabe vor allem darin, als
Beifahrer Ruhe auszustrahlen ;-) Einmal aus der Stadt heraus wurde es
dann auch deutlich angenehmer. Da es im Prinzip nur einen Weg gibt,
fuhren wir also die gleiche Strecke wie schon vier Wochen zuvor mit dem
Bus nun noch einmal ab, was schon ein ählich spannendes Gefühl auslöste,
wie auch dann später, als wir wieder an der gleichen Grenze und dann am
Ende tatsächlich wieder in Jordanien waren. Die Strecke ist wirklich
äußerst schön. Sie führt zunächst durch eine bergig zerklüftete
Wüstenlandschaft, die mit einem Mal endet und einen tollen Weitblick
ermöglicht. Schon bald gelangt man dann an das Tote Meer, an dem man
eine ganze Weile entlang fährt, während sich auf der anderen Seite die
dunklen Felsen auftürmen. Das letzte Stück führt dann durch eine
wüstenhafte Gegend, die mich schon während der Busfahrt extrem an
namibische oder südafrikanische Landschaft erinnert hatte, insbesondere
aber dann, als man am Ende auch noch an Straußenfarmen und einem Gebiet
mit schildhaft aufgestellten Oryx Figuren vorbeikam. An dieser Stelle
zeigt sich einmal wieder die wirklich beeindruckende landschaftliche
Vielfalt dieser Region. Als wir die Woche zuvor in Galiläa gewesen
waren, war dort alles richtig grün und bewachsen gewesen, obwohl man uns
dort mehrfach erklärte, dass dies noch kein Vergleich zu der Regenzeit
im Januar/ Februar sei und es im Moment eigentlich mit am trockensten
wäre. Auf dem Weg nach Galiläa wähnte man sich dann landschaftlich dafür
zeitweise in flacheren Ebenen Deutschlandes. Für so ein kleines Land
ist das teilweise einfach nur unglaublich skurril.
Die
Grenze konnten wir glücklicherweise einigermaßen problemlos passieren,
mussten allerdings - was wir aber vorher schon wussten und eingeplant
hatten- die Leihwagen dort zurücklassen, da wir sie nicht mit nach
Jordanien nehmen durften. Es galt nun also bei bereits angebrochener
Dunkelheit eine Transportmöglichkeit zu unserem Hostel nach Petra zu
finden. Glücklicherweise fanden wir einen Taxifahrer, der uns einen
fairen Gruppenpreis machte und uns gleichzeitig auch noch ein Angebot
für die Rückfahrt unterbreiten konnte. Als wir dann allerdings so bei
Nacht in seinem Wagen über die Straßen Jordaniens rauschten, wurde mir
doch schnell bewusst, dass man beim "nahöstlichen Verkehrsteilnehmer an
sich" wohl doch etwas differenzieren muss, denn im Vergleich dazu
(Details erspare ich euch besser, nur soviel: Vorfahrt, Überholen und
die Wahl einer geeigneten Spur auf der Straße funktionieren eher auf
Zuruf oder per Hupe;-) ist dem israelischen Verkehrsteilnehmer doch
wirklich eine äußerst defensive Fahrweise zu attestieren. Wir kamen
allerdings sicher in unserem Hostel an, das uns mit seinem Service auch
mehr als zufrieden stellte. Klar war es nur ein großer Schlafsaal mit
acht Betten und einem äußerst abenteuerlichen Bad, dafür gab es aber
regelmäßigen Shuttleservice zur Felsenstadt sowie sehr günstiges
Frühstück und Lunchpakete für die Tour. Ein kleiner Schock blieb uns
dann leider doch nicht erspart, als wir gerade unser Zimmer bezogen
hatten. Da nämlich vernahmen wir für uns alle relativ eindeutig
identifizierbar und mit Sicherheit auch nicht allzuweit entfernt die
Schüsse eines Maschinengewehres. In diesem Moment vergisst man dann
ganz schnell alles, was man vorher der Familie an Beruhigung auf den Weg
gegeben hat (Stichwort IS und "die sind da doch noch richtig weit weg")
und fühlt sich in der Tat äußerst bescheiden. Allerdings kann ich euch
beruhigen, denn was sich in tatsächlich ziemlich deutlich wie ein
Maschinengewehr für jeden von uns anhörte, stellte sich letztlich dann
doch als eine Salve von abgeschossenen Böllern heraus, die wir dann von
unserer Essensstätte aus sogar beobachten konnten. Fehlalarm also, aber
gleichzeitig der Beleg dafür, wie voreingenommen man dann doch in solche
Länder geht!
Was wir in der
Felsenstadt selbst dann alles gesehen haben, will ich jetzt gar nicht im
Einzelnen beschreiben, denn dafür sind ja die Fotos gedacht. Meine
Eindrücke davon waren vor allem, wie ungeheuer groß und beeindruckend
gut erhalten die ganze Anlage ist, obwohl erst ein geringer Teil von ihr
überhaupt archäologisch erschlossen ist. In den eineinhalb Tagen, die
wir effektiv dort sein konnten, konnten wir uns praktisch gerade einmal
einen Überblick über die wesentlichsten Dinge dort verschaffen, obgleich
ich sagen muss, dass man irgendwann dann auch kapiert hat, wie so ein
Felsengrab aussieht, wenn ihr versteht, was ich meine ;-) Ebenso war es
spannend zu sehen, wie sich die beduinischen Einwohner und Händler voll
und ganz auf die Touristen einstellen. Kaum eine Grabanlage, wo nicht
mindetstes ein Händler einen "Shop" aufgebaut hat und Getränke und noch
diversen Krusch verkauft. Kaum ein Weg, an dem man nicht alle 200 Meter
an einem Stand oder von einem vorbeiziehenden Händler irgendwelche
Plastikarmreifen, verzierte Ostereier oder was auch immer das war oder
irgendwelche Steine, die genauso auch direkt neben dem Stand auf dem
Boden einfach herumliegen, angeboten bekommt. Und natürlich ist das dann
exakt der Armreif, den die Figur der Statue auf der Schatzkammer trägt,
von der man nicht mal weiß, ob sie jetzt die Göttin Isis ist oder
vielleicht doch jemand ganz anderes, weil das Gesicht nicht zu
identifizieren ist, aber was für ein Glück, dass man dann ihren Armreif
so im Detail nachvollziehen kann. Natürlich ist auch in jedem Shop immer
und zu jeder Zeit Happy Hour, was einem dann auch immer ganz freudig
mitgeteilt wird. Und natürlich kostet immer alles auch nur 1 Dinar. Man
kann in Petra auch wunderbar körperlich gefordert werden, wenn man
beispielsweise die 900 Stufen, die in recht unregelmäßigen Abständen und
Höhen und sehr schwankender Qualität in den Berg gehauen sind, zum
Kloster hinauf steigt, oder die ich weiß nicht wie viel aber ganz bestimmt viel zu vielen Stufen
bis zum Opferplatz oder einer fränkischen (!) Kreuzfahrerfestung. Aber
man kann natürlich auch sich von einem Esel dort hochtragen lassen, wie
einem ebenfalls ungefähr alle 200 Meter angeboten wird. Und wenn man es
dann auch noch zu anstrengend findet, den Weg bis zum Beginn des
Anstieges zum Kloster überhaupt erst hin zu laufen, kann man auch noch
wahlweise auf die vielen Kamele oder Pferdekutschen zurückgreifen, die
einem dann auf den zweihundert Metern angeboten werden, wo man gerade
mal seine Ruhe von den Eseln und Happy Hour Ständen hat. Insgesamt
dürften also in etwa nocheinmal so viele Reittiere und Händler
herumlaufen, wie Touris. In der Gruppe, in der wir unterwegs waren,
haben wir allerdings all diesen Versuchungen widerstanden und sämtliche
Anstiege und Klettertouren zu Fuß bewältigt. Entsprechend waren wir dann
am Abend des ersten Tages alle richtig müde und sind früh ins Bett
gefallen. Die Aufstiege haben sich aber definitiv gelohnt für uns, denn
es sind ein paar richtig tolle Bilder entstanden:
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Startplatz kurz vor dem Einstieg in die Anlage. |
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Die ersten Grabanlagen im "Vorstadtbereich" |
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In der Tat wird für die Touris keine Mühe gescheut. |
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An der Einmündung des sog. Siq ist noch ein wenig ein einstiger Torbogen zu erkennen. |
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Eindrücke von innerhalb des Siq. |
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Überall in der Anlage finden sich sogenannte Betyle aus dem frühen Steinkult. |
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Der Ausgang des Siq lässt schon erahnen, was sich gleich in voller Pracht eröffnen wird... |
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Das nach beduinischer Überlieferung benannte Schatzhaus des Pharao. |
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So benannt, weil sich angeblich in der oberen Urne ein Schatz befinden soll |
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Die bereits angesprochene Tierwelt ;-) |
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Der weitere Weg. |
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Neben diversen Grabanlagen... |
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...findet man immer wieder auch hellenistische Einflüsse, wie dieses Amphitheater direkt unterhalb solcher Gräber. |
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Die sogenannten Gräber der Könige - schon daran zu erkennen, dass sie deutlich größer und schöner sind. |
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Die Säulenstraße mit Wohnanlagen und am Ende einem Tempel. | |
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Das sogenannte Qasr Bint Firaun (Palast der Pharaonentochter) |
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Impressionen vom Aufstieg zum Kloster |
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Der lange Aufstieg hat sich definitiv gelohnt. |
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Fantastischer Blick auf den Felsentempel ad- Deir ("Das Kloster") |
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Noch fantastischerer Blick ;-) |
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Auch auf einem der vielen "best view" Aussichtspunkten gibt es Shops. |
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Da ist wohl jemand nicht ganz fertig geworden? |
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Ein Franke beim Aufstieg auf die fränkische Festung. |
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Auch hier hat sich der Weg wieder gelohnt. |
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Aber es geht sogar noch weiter. |
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Was wäre ein königliches Grab nur... |
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... ohne einen beduninischen Shop? |
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Mosaiken einer byzantinischen Basilika |
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Das "Soldatengrab" von außen... |
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... und von innen. |
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Eindrücke vom Opferplatz. |
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Auch hier musste man wieder viele Stufen meistern! |
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Aber es hat sich definitiv auch hier noch einmal gelohnt. |
Alleine
ob dieser fantastischen Bilder hat es sich natürlich schon gelohnt,
noch einmal den Weg nach Jordanien auf sich zu nehmen. Daneben muss ich
aber auch sagen, habe ich auch noch einmal eine andere Seite von
Jordanien kennen gelernt, die man natürlich in der Wüste nicht so hat:
das Leben in einem arabischen Land! Natürlich ist Petra da sicherlich
als wahrscheinlich größter touristischer Anlaufpunkt Jordaniens nicht
der aller authentischste Einblick, dennoch nimmt man das in einer Stadt
einfach anders war, als in der Wüste. Ich kann nur sagen, dass ich
durchaus wehmütig in das Taxi zur Rückfahrt eingestiegen bin. Das
arabische Essen, das wir besonders am Samstagabend noch einmal voll
auskosten konnten, der dort noch viel intensivere Gesang des Muezzin,
die arabischen Beschriftungen, die ich zu meiner großen Freude zum Teil
schon ein wenig entziffern konnte, das Einkaufen von Gemüse für die
Rückfahrt auf einem Markt, die Art und Weise, wie man sich nicht nur im
Straßenverkehr, sondern praktisch in allen Lebenslagen einfach so ein
wenig spontan zu organisieren scheint und insbesondere die
Freundlichkeit und authentische Offenherzigkeit der Menschen, die einem
auf offener Straße einfach mal ein "you are welcome" hinterherrufen,
ohne dass man, wie schon in der Wüste, dass Gefühl hat, das geschieht
nur aus touristisch geschäftlichem Interesse - das alles habe ich
wirklich genossen dort und es hat in mir noch einmal richtig die Lust
geweckt, in den Arabischstunden hier weiterhin Gas zu geben um
vielleicht schon bald einmal wieder ein arabisches Land zu besuchen.
Ja
ihr Lieben, das war es jetzt schon wieder von mir und wie immer ist
alles wieder deutlich länger geworden als geplant und hat demnach auch
deutlich länger gedauert als geplant. An all diejenigen, denen ich schon
seit ein paar Tagen die Erneuerung meines Blogs angekündigt haben, sei
hiermit ein "Sorry" gesagt ;-) Für mich sind es jetzt noch knapp 10 Tage
bis zu unserer nächsten großen Exkursion nach Galiläa hin, wo wir dann
wieder in Tabgha sein werden. Vielleicht melde ich mich zuvor noch mal
mit einem kurzen Post zum Abschied bei euch, ansonsten dann aber
sicherlich wieder nach Galiläa, wenn ich bestimmt wieder einige Zeilen
und Bilder für euch haben sollte!
Bis dahin einen ganz lieben Gruß,
Andreas
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